Wir müssen reden!
Schätzungen zufolge erleidet jede vierte Frau in ihrem Leben eine Fehlgeburt. Und trotzdem ist es ein Thema, über das die wenigsten reden wollen oder können. Und damit meine ich nicht in erster Linie die Frauen und Familien, die betroffen sind, sondern ihr Umfeld. Eine Freundin von mir hat die Erfahrung gemacht, das Geburtsdetails des ersten Kindes regelmäßig erfragt wurden, von ihrer Fehlgeburt aber niemand Details wissen wollten. Wieso ist das so? Warum breitet sich eine Sprachlosigkeit über Fehlgeburten aus, obwohl doch so viele Frauen diese Erfahrung in ihrem Leben machen müssen? Natürlich ist es traurig. Nicht selten fragen sich Betroffene, was sie falsch gemacht haben können (z.B. durch Sport, Ernährung oder Stress), auch wenn es in den allermeisten Fällen unbegründet ist. Weil Fehlgeburten oft tabuisiert werden, fühlen sich Frauen „anders“ oder allein und entwickeln u.a. Scham. Die Gefühlspalette ist aber viel länger und sicher auch unterschiedlich. Schwere psychische Folgen können u.a. die Folge sein.
Ich frage mich: Warum ist das heute noch so? Wir haben doch als Gesellschaft gelernt, über vieles zu reden, setzen uns für Aufklärung ein, nennen das Kind beim Namen. Über Fehlgeburten reden wir aber nicht. Warum? Und welche Erfahrung hast Du gemacht?
Wenn ich Frauen begleite und sie mich fragen, ob ich jemals schon zu einer Fehlgeburt gerufen wurde, sind sie überrascht, wie viele Frauen betroffen sind (und nicht alle wünschen sich Photos!). Neben der Überraschung meine ich auch Erleichterung zu spüren, Erleichterung darüber, dass sie nicht allein sind. Was würde also passieren, wenn wir offen darüber reden könnten? Wenn eine Betroffene die ganze Geburtsgeschichte der kleinen Geburt erzählen dürfte: Wann hat sie erfahren, dass das Embryo nicht mehr lebt? Was passierte dann? Wie ist es geboren? Wie hat es sich angefühlt? Was hat sie dabei empfunden? Und wie geht es ihr damit?
Ich glaube, wir würden ihnen eine bessere Welt bieten. Wir könnten helfen, dass sich Betroffene nicht allein fühlen. Dass sie über ihr geliebtes Kind reden könnten. Dass es vielleicht einen Namen bekommt.
Denn die Seele dieses Menschen war da. Frauen sind Mütter. Männer Väter. Paare Familie. Ältere Kinder Geschwister. Es ist nicht egal, dass dieses Wesen gelebt hat. Vielleicht begleitet es die Familie das ganze Leben lang im Inneren.
Lasst uns also reden! Bitte.