Um ehrlich zu sein, der Gedanke für ein Photoprojekt flog mir zu.
Ich war mit einer Familie im Wald unterwegs, als das Kind unmittelbar auf einem Baumstamm gestillt wurde. Es stellte für mich keine ungewöhnliche Situation dar, da ich selber als Langzeitstillende gelte. Als erfahrene Mama mache ich mir mittlerweile auch keine Gedanken mehr darüber, was andere denken könnten. Das war vor bald 14 Jahren nach der Geburt meines ersten Kindes anders. Ich wollte meine Brust in der Öffentlichkeit nicht zeigen, es war mir unangenehm. Seither hat sich aber das Stillen für mich als sehr praktisch erwiesen: ich kann mein Kind unvermittelt trösten, Nähe geben, es beruhigen und auch nähren. Natürlich gibt es auch andere Wege, die genauso gut funktionieren. Ich stelle das Stillen nicht über die Flasche, im Gegenteil: ich finde, dass jede Mutter selbst darüber entscheiden darf, ob sie überhaupt stillt. Und das bitte, ohne dafür bewertet zu werden. Ich werde allerdings den Eindruck nicht los, dass die Entscheidung, ob und wie lange gestillt wird, stark von anderen Menschen beeinflusst wird.
Die Antworten in meiner Umfrage in einer Story bei Instagram zu vermeintlich gut gemeinten Kommentaren fielen sehr unterschiedlich aus. Eine Kinderärztin aus Dortmund äußerte, dass das Langzeitstillen mit Süßigkeiten zu vergleichen wäre. Andere behaupteten, dass ein Abstillen zum Durchschlafen des Kindes beitragen würde. Auch die Frage: „Wie lange MUSST du noch stillen?“ impliziert eine Unfreiwilligkeit, die hoffentlich bald endet.
Bei der Situation im Wald mit der Familie fiel mir aber auf, dass ich selten oder gar nicht stillende Mütter sehe, deren Kinder älter als 12 Monate sind. Elternwerden ist nämlich so eine Sache. Es gibt keinen anderen Bereich in meinem Leben, der so oft kommentiert wurde wie mein Umgang mit den Kindern: mein Krabbelbaby im ICE auf dem Boden (viel zu dreckig!), die Art, wie ich mein Kind in der Trage trug (nicht gut für den Rücken!), wann ich das Kind in eine Betreuung gab (viel zu früh!), wieviel Süßes mein Kind essen darf, wieviel Medienzeit es bekommt und ob überhaupt. Wohlgemerkt waren es Meinungen, nach denen ich nicht gefragt habe. Diese Liste könnte ich gefühlt endlos fortführen.
Wenn vier von fünf Babys nach der Geburt gestillt werden, sind es nach vier Monaten nur noch ein Drittel. 16% der Kinder werden in Deutschland länger als 12 Monate gestillt, repräsentative Daten für Kinder, die bereits 2 oder 3 Jahre alt sind und noch gestillt werden, gibt es nicht. Und das, obwohl es Forschungsarbeiten gibt, die belegen, dass 2,5 Jahre Stilldauer das Minimum für Menschenkinder sind (nachzulesen im Stilllexikon).
Der Begriff „Langzeitstillen“ ist nicht einheitlich definiert. Für mein Projekt habe ich mich entschieden, Kinder ab 12 Monaten zu photographieren. Ich möchte mit den Bildern dazu beitragen, dass Stillen sichtbar wird. Ich suche Familien, die mich ihre persönliche Stillbeziehung dokumentieren lassen. Dafür besuche ich sie in ihrer gewohnten Umgebung und halte mit meiner Kamera dokumentarisch fest, was ich sehe und auch fühle. Ein bestimmtes Endformat wie eine Ausstellung oder ein Buch habe ich heute noch nicht, sondern lasse die Entwicklung noch auf mich zukommen.
Wenn Du Fragen an mich hast oder sogar Interesse, beim Photoprojekt mitzumachen, freue ich mich über eine Nachricht von Dir!