Wenn ich Geburtsberichten zuhöre, dann beschleicht mich der Eindruck, dass die Geburt der Plazenta nach der Geburt, also die sogenannte Nachgeburt, für viele Frauen eine Überraschung war. Endlich war es geschafft, endlich war das Baby da, der Schmerz ließ augenblicklich nach, spürte die frische gebackene Mama nach einigen Minuten doch wieder Wehen. 

Heute ist es zum Glück anders. Die Plazenta ist Teil der Geburt, der Sitz vorher von der Frauenärztin genau bestimmt, was wichtig ist für die Geburtsplanung. Die Plazenta ist das faszinierende Organ, das das Baby während der gesamten Schwangerschaft versorgt. Ihre Funktion schenkt Leben. Sie ist das Verbindungsstück zwischen Baby und Mama, so wie ein Anker das Schiff hält. 

Beim genauen Hinschauen ist die Schönheit der Plazenta erkennbar: sie hat nämlich zwei Seiten. Eine zur Mutter hin und eine, die Richtung Baby zeigt. Das ist die Seite, die an die Verästelung eines Baumes erinnert. 

Ich habe mir von meiner Plazenta einen Abdruck machen lassen. Sie ist wunderschön geworden und erinnert mich irgendwie an eine Tulpe. Andere schicken Teile der Plazenta ein und lassen sich Globuli daraus erstellen. Oder vergraben die Planzenta im Garten und pflanzen daneben einen Baum. 

Cheyenne hatte aber noch eine andere Idee. Sie hatte ihre Plazenta kurz nach der Geburt eingefroren und erzähle mir schon wenige Monate später davon, dass sie sie zum ersten Geburtstag an einem besonderen Ort von ihr Abschied nehmen und vergraben begraben will. So, als wollte sie der Natur etwas zurück geben, das ihr für eine Zeit geliehen wurde. Nach ihrem Umzug von Dortmund nach Witten entdeckte sie „Avalonia“ in Herdecke, einem Ort mitten in der Natur, der viel zum Bouldern, aber auch zum Wandern genutzt wird. Cheyenne findet ihn mystisch und auch ich erinnere mich an meine erste Wanderung im Herbst 2020 dort, dass er mich inspiriert und verzaubert hatte. Mensch trifft Natur trifft Kunst, so würde ich es nennen. Ein Ort, der Ruhe und Kraft spendet, der belebt und viel gibt. Nachmittags kommt sie mit ihrem Sohn oft dorthin und verbringt Zeit allein und mit anderen Menschen, die, genau wie sie, dort sind, um etwas zu bekommen. 

Avalonia wurde der perfekte Ort für Cheyenne, um sich von ihrer Plazenta zu verabschieden. Wir trafen uns auf einem Parkplatz und stiegen sofort in den Wald ein. Cheyenne war vorbereitet, hatte alles dabei: Blumen, die Plazenta und einen Brief an die Plazenta, der sich auflösen würde und aus der Blumen wachsen würden.